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60 Jahre Kampf gegen die Atombombe
"Abrüsten statt aufrüsten!" lautete das Motto des Münchner Ostermarsches in diesem
Jahr. Die Ostermärsche am Karsamstag fanden unter strengen Corona-Auflagen statt. Nach
Angaben der Polizei kamen bei der Abschlusskundgebung am Königsplatz rund 250
Teilnehmer zusammen. Das wichtigste Anliegen der Veranstalter: Deutschland muss
atomwaffenfrei werden. Eine Forderung, die schon vor sechs Jahrzehnten aktuell war.
Damals, Anfang der 1960er-Jahre, hatte die CDU-Regierung unter Kanzler Konrad Adenauer
gerade die deutsche Wiederbewaffnung durchgesetzt – gegen breiten Widerstand in der
Bevölkerung.
Denn nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg mit Millionen Toten und angesichts der
verhängnisvollen Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki
durch die US-Armee forderten viele eine völlige Entmilitarisierung der Bundesrepublik.
Nuklearwaffen für die Bundeswehr
Unter Adenauer wurde jedoch nicht nur eine neue westdeutsche Armee gegründet, die
Bundeswehr. Diese sollte nach dem Willen des Kanzlers und seines CSU-
Verteidigungsministers Franz Josef Strauß auch mit sogenannten taktischen Atomwaffen
ausgerüstet werden. Das sind verhältnismäßig kleine Sprengköpfe mit einer Reichweite
von lediglich 15 bis 20 Kilometern – für Adenauer "nichts weiter als die
Weiterentwicklung der Artillerie".
Die Warnung der Atomwissenschaftler
Vor diesen Plänen warnten jedoch bereits 1957 führende Atomwissenschaftler, darunter
die Nobelpreisträger Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg. Mit ihrem sogenannten
"Göttinger Manifest" wandten sie sich direkt an die Bundesregierung und betonten: Die
verheerenden Auswirkungen nuklearer Waffen ließen sich nicht begrenzen. "Heute kann
eine taktische Atombombe eine kleinere Stadt zerstören, eine Wasserstoffbombe aber
einen Landstrich von der Größe des Ruhrgebietes zeitweilig unbewohnbar machen", heißt
es in dem Manifest. "Durch Verbreitung von Radioaktivität könnte man mit
Wasserstoffbomben die Bevölkerung der Bundesrepublik wahrscheinlich schon heute
ausrotten.
"Karfreitag 1960: Beginn der Ostermärsche
In der Folge wandten sich immer mehr Menschen gegen die Atombombenpläne der
Bundesregierung. Am Karfreitag 1960 startete erstmals von Hamburg, Bremen, Hannover und
Braunschweig aus ein mehrtägiger Sternmarsch zum Truppenübungsplatz Bergen-Hohne, um
gegen Atombomben auf deutschem Boden zu protestieren.
1961 – Münchens erster Ostermarsch
Ein Jahr später gab es dann in weiteren westdeutschen Städten pazifistische
Ostermärsche – auch in München. Organisiert wurde er von der "Internationale der
Kriegsdienstgegner", zu der auch der damals 22-jährige Claus Schreer gehörte. Er hatte
als einer der ersten jungen Männer im Nachkriegsdeutschland den Wehrdienst verweigert,
heute ist er einer der bekanntesten Münchner Friedensaktivisten.So initiiert Schreer
etwa alljährlich im Februar die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz. Nur
zu diskutieren sei ihm schon immer zu wenig gewesen, sagt Schreer. Er habe immer etwas
tun wollen. Deshalb sei er auch bei den Ostermärschen in der Landeshauptstadt von
Anfang an dabei gewesen. "Der erste Münchner Ostermarsch begann an der KZ-Gedenkstätte
in Dachau und endete am Königsplatz in München", erinnert er sich.
Breites gesellschaftliches Bündnis
Von Anfang an standen die Ostermärsche im Verdacht, "kommunistisch unterwandert" zu
sein. Tatsächlich waren Kommunisten wie Claus Schreer auch immer mit dabei, doch
getragen wurde die Bewegung von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, zu dem zum
Beispiel auch christliche und pazifistische Gruppen zählten und das von
Wissenschaftlern, Intellektuelle und Künstlern unterstützt wurde.
Erich Kästner spricht auf der Abschlusskundgebung
Für die Abschlusskundgebung des ersten Münchner Ostermarsches konnte zum Beispiel ein
prominenter Schriftsteller als Redner gewonnen werden: Erich Kästner, bekannt unter
anderem als Autor von legendären Kinderbüchern wie "Emil und die Detektive" oder
"Pünktchen und Anton". Am Ende seiner Rede auf dem Königsplatz appellierte Kästner
eindringlich an seine Zuhörerinnen und Zuhörer: "Unser friedlicher Streit für den
Frieden geht weiter. Im Namen des gesunden Menschenverstands und der menschlichen
Phantasie. Resignation ist kein Gesichtspunkt!
"Keine Atomwaffen für die Bundeswehr”
Am Ende wurde
die Bundeswehr
tatsächlich
nicht mit
Atomwaffen
ausgerüstet,
das lag aber
wohl weniger
an den
Ostermärschen,
sondern vor
allem an der
Weigerung der
US-Amerikaner,
der
Bundesregierung
Zugriff auf
die
Massenvernichtungswaffen zu gestatten.
Doch auch wenn die Bundeswehr selbst nicht nuklear aufgerüstet wurde, wurden dennoch
zahlreiche US-Raketen mit atomaren Sprengköpfen in Westdeutschland stationiert. Die
Friedensbewegung protestierte in den folgenden Jahrzehnten immer wieder gegen diese
akute atomare Bedrohung. Und die Ostermärsche wurden zum festen Programmpunkt der
Proteste – auch in München.
Der Kampf gegen die Pershing 2
Ihren Höhepunkt erreichten sie Anfang der 1980er-Jahre, als nach dem sogenannten Nato-
Doppelbeschluss mit der Pershing 2 eine neue Generation von Atomraketen in der BRD
stationiert wurde. Übrigens auch in Oberbayern, und zwar südlich von Landsberg am Lech.
Hunderttausende Menschen gingen gegen die Nachrüstung auf die Straße. Auch in kleineren
Orten Oberbayerns, etwa in Oberpfaffenhofen im Landkreis Starnberg, wo Ostermarschierer
gegen den Rüstungskonzern Dornier protestierten.
Keine Atomwaffen auf deutschem Boden – Losung gilt immer noch.
Inzwischen ist das Interesse an den pazifistischen Kundgebungen stark abgeflaut, obwohl
die US-Armee in Deutschland immer noch Atomwaffen vorhält. Für Claus Schreer ist klar:
"Die Losung von damals – Keine Atomwaffen auf deutschem Boden! – gilt heute immer
noch." Deutschland müsse endlich dem Atomwaffenverbots-Vertrag der UNO beitreten, der
am 21. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Die
Abschlusskundgebung fand auch
heuer am Münchner Königsplatz statt - genau
wie vor 60 Jahren.
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